Panzer gegen das Volk: Der Aufstand vom 17. Juni 1953

Vor 70 Jahren war Leipzig ein Brennpunkt des Volksaufstandes gegen das SED-Unrechtsregime. Am 17. Juni 1953 protestieren rund eine Million Menschen in Ost-Berlin und in der DDR weitgehend friedlich gegen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Sie äußern ihre Unzufriedenheit über wachsende soziale Probleme, Bevormundung und Repression. Die SED-Führung ist überfordert von den Demonstrationen, die Sowjetunion reagiert mit Härte: Sie verhängt den Ausnahmezustand.
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Foto: SZ Photo, JMB

Gewalt vor prächtiger Kulisse

Auf dem Foto geht der Blick in Richtung des ehemaligen Reichsgerichtsgebäudes. Der von 1888 bis 1895 errichtete Bau wurde im Zweiten Weltkrieg zu einem Drittel zerstört, konnte wieder hergestellt werden und 1952 das Museum der bildenden Künste aufnehmen. Nach einigen Zwischennutzungen ist dort seit 2002 das
Bundesverwaltungsgericht ansässig.

Panzer gegen das Volk

Leipzig, am 17. Juni 1953. In der Harkortstraße, einer der Hauptverkehrsadern der Stadt, bevölkern Menschenmassen die Gehsteige. Vorhin noch haben sie die Fahrbahn, ja die halbe Stadt in Beschlag genommen, doch nun sehen sie sich an den Rand gedrängt. Sie müssen dem Stärkeren weichen, in diesem Fall einem Kampfpanzer IS-2, den die örtliche Garnison der Sowjetarmee ins Zentrum geschickt hat, um den  Aufstand des Volkes niederzuschlagen. Der Panzerkommandant führt sein Fahrzeug von der offenen Luke aus; er weiß, dass er von den Zivilisten nichts zu befürchten hat. Die sind unbewaffnet, können höchstens zu Steinen greifen. Seit den frühen Morgenstunden gärt es in Leipzig. Zuerst werden Betriebe bestreikt, immer mehr Werktätige folgen dem Beispiel, im Laufe des Tages legen 27.000 Menschen in 81 Betrieben die Arbeit nieder. Bald gehen die Streikenden auf die Straße und marschieren aus allen Richtungen ins Zentrum, Bürger schließen sich an, schließlich sind 40.000 Menschen unterwegs. Sie fordern freie Wahlen, bessere Versorgung, mehr Lohn. Es wird randaliert, Gebäude staatlicher Organe werden gestürmt. Angesichts der Massen halten sich die Sicherheitskräfte zunächst zurück, aber ab 15 Uhr schießt die Kasernierte Volkspolizei wiederholt in die Menge. Kurz darauf verhängt die sowjetische Besatzungsmacht im Bezirk Leipzig das Kriegsrecht und lässt Panzer rollen. Am Ende ist der Aufstand gescheitert und hat in der Stadt vier Menschen das Leben gekostet.

von Jens Müller-Bauseneik
aus Militär & Geschichte 05/23

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